Mittwoch, 28. Oktober 2015

Neue Geschichten von Vater und Sohn



Vater und Sohnzählen zu den bekanntesten gezeichneten Figuren aus Deutschland. Erdacht wurden sie 1934 von dem Zeichner Erich Ohser alias e.o.plauen,der seine zeitlosen Bildergeschichten um den schnauzbärtigen Vater und seinen strubbelhaarigen Filius bis 1937 veröffentlichte. Fast 80 Jahre nach Erscheinen der letzten Episode kommen die beiden nun mit neuen Abenteuern zurück. Die Neuen Geschichten von Vater und Sohnwerden von den Künstlern Marc Lizano (Das versteckte Kind) und Ulf K. (Max und Moritz-Preisträger 2004) zu Papier gebracht. Ihnen ist eine kongeniale Fortführung der beliebten Geschichten gelungen, die gleichzeitig eine Hommage an das Original ist. 

Von 1934 bis 1937 erschienen 157 Vater und Sohn-Geschichten, bevor Erich Ohser seine Serie beendete, weil das zwischenzeitlich durch die Nazis über ihn verhängte Berufsverbot nur mit Zugeständnissen an die Machthaber hätte aufgehoben werden können. Seine Weigerung, sich für Propagandazwecke vereinnahmen zu lassen, führte 1944 zu einem Prozess vor dem Volksgerichtshof. Einer drohenden Verurteilung entzog sich Ohser, indem er einen Tag vor Prozessbeginn Suizid beging – doch sein gezeichnetes Vermächtnis überlebte das Regime. 

Neue Geschichten von Vater und Sohn beginnt mit der letzten Vater und Sohn-Episode aus der Feder von Erich Ohser, mit der er sich im Jahr 1937 von seiner Leserschaft verabschiedete, indem er seine Figuren zu den Sternen schickte. Auf der nächsten Seite nehmen Marc Lizano und Ulf K. dieses Motiv wieder auf und lassen die Helden vom Mond zurück auf die Erde klettern. Sechs Panels mit einem stummen Hallo, das in Symbolik und Aussagekraft dem Adieu vor fast 80 Jahren in nichts nachsteht. Visuell wird der Neuanfang sofort durch einen Wechsel von Schwarz-Weiß zu einer dezenten aber durchgängigen Farbgebung deutlich. 

Stilistisch orientiert sich das Künstlerduo am Strich und der Erzählweise Erich Ohsers, schaffen es aber der Neuinterpretation der Figuren und ihrer Abenteuer eine deutliche persönliche Note zu verleihen. 
Andreas Platthaus (FAZ) sagt dazu im Vorwort, das er zu dem Buch beisteuerte: „… auch wenn Ulf K. sich in der Figurendarstellung eng an OhsersVorbild hält, sind die Neuen Geschichten von Vater und Sohn in unserer Zeit angesiedelt. Die acht Jahrzehnte Abstand sind thematisch spürbar, müssen es auch sein, denn Erich Ohsers Comic entstand in einer historischen Konstellation, die so entfernt von der unseren ist, wie nur denkbar.“ 

Es sind neue Episoden für eine neue Lesergeneration, mit aktuellen Themen und einigen inhaltlichen Freiheiten, die sich die neuen Macher gönnten, wie zum Beispiel eine Erklärung, warum die Mutter in der Familienkonstellation fehlt, die Ohser seinen Lesern immer schuldig blieb. 

Neue Geschichten von Vater und Sohn ist die moderne Version des Bildergeschichten-Klassikers: frech und verspielt, lustig und nachdenklich, menschlich und versöhnlich – und, ganz in der Tradition des früheren Werks, ohne Texte.